Gedanken zur Erneuerung des deutschen Parteiensystems

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Die Erneuerung
  1. Über allgemeine und gleiche Wahlen zu den Staatsparlamenten und der daraus resultierenden Verteilung der Parlamentssitze läuft nur der unwichtige Teil der Politik eines Landes. Der entscheidende politische Kampf vollzieht sich zwischen den Parteien, die immer nur so stark sind wie ihr jeweiliger Rechtsbildungsfaktor (Staatselement) im Verteilungsschema der Anrechte der Bürgerklassen. Aufstieg und Niedergang einer Partei pflegt daher unmittelbar nicht von Wahlergebnissen abhängig zu sein, sondern von der spezifischen Faktorstärke. Die Stärke eines Faktors ist aber seine Knappheit.
  2. Die Krise der SPD ist die mangelnde Knappheit der sozialistischen Klasse in Westdeutschland. Die sozialistische Klasse aber ist der Faktor Arbeitskraft. Bis 1961 war Arbeitskraft reichlich, deutsch, gut und billig zu haben, also auch nicht sehr knapp, weil aus der russischen Besatzungszone Flüchtlinge strömten. Die konservativ-rechtsliberale Herrschaft der Unionsparteien war gesichert. Mit dem Bau der Berliner Mauer wurde deutsche Arbeitskraft knapper, das Kräfteverhältnis im Verteilungsschema verschob sich zugunsten der sozialistischen Klasse. Die Rechtsliberalen und Konservativen wehrten sich durch forcierten Import ausländischer Arbeitskräfte, was aber anfangs weder den deutschen Facharbeiter noch den deutschen Kopfarbeiter tangierte, weil die Überlegenheit gegenüber den mediterranen und orientalischen Gastarbeitern sehr groß war. Die antisozialistische Wirkung des Arbeitskräfte-Imports entfaltete sich erst nach etwa einem Jahrzehnt Assimilation und Familiennachzug, verstärkt durch die vom Ölembargo ausgelöste Weltwirtschaftskrise seit der Mitte der siebziger Jahre.
  3. Außer dem Ruhrgebiet sind heute alle Hochburgen der SPD gefallen. Die großstädtische Industriearbeiterschaft, statistisch sowieso eine schrumpfende Größe, besteht heute großenteils aus nicht stimmberechtigten Ausländern. Der deutsche Facharbeiter sucht teilweise Schutz bei den Konservativen vor der Ausländer-Konkurrenz. Die Konservativen instrumentalisieren dieses Thema zu Wahlkampfzwecken, haben aber nicht nur ein ökonomisches Interesse an hoher Ausländerbeschäftigung, sondern vor allem ein politisch-strategisches.
  4. Die SPD spekuliert, um großstädtische Industriearbeiterstimmen zurückzuholen, auf ein Stimmrecht für Ausländer. Dadurch würde sie von der sitzengelassenen Arbeiterpartei zum Parteifeind der deutschen Arbeitskräfte avancieren und die nationalen Abwehrinstinkte des ganzen Volkes auf sich ziehen. Eine Partei, die sich zu solch einer Politik bekennen würde, wäre nicht mehr erneuerungsfähig, sondern zum Untergang verurteilt; sie würde entweder aus dem Volkskörper herausgeeitert werden oder ihn vergiften.
  5. Würde die SPD diesen Weg gehen, käme nach ihrem Untergang und einem Aufschwung der Konservativen deren Interessenlüge zum Vorschein, und die Krise des Parteiensystems würde sich bei ihnen aktualisieren, also insgesamt nur verspätet aufbrechen. Es ist aber keine konstruktive Innenpolitik, eine Partei nach der anderen sich diskreditieren zu lassen. Umgekehrt, die Parteien müssen sich in der Reihenfolge erneuern, in der sich bei ihnen die Systemkrise aktualisiert. Dies ist heute die SPD.
  6. Die Erneuerung von Parteien als Instrumenten des gesellschaftlichen Verteilungskampfes besteht zunächst in der Besinnung auf ihre primären, nämlich gesellschaftlichen Aufgaben; Hauptaufgabe ist dabei immer die Beseitigung soziostruktureller Anachronismen. Die Besinnung muß zu dem Entschluß führen, die Aufgabe wirklich zu lösen. Jede soziale Frage hat aber immer nur eine nationale Lösung. Die Behauptung, irgendeine soziale Frage könne nur europäisch oder sonstwie international gelöst werden, ist in der Regel der Entschluß, die Frage nicht zu lösen, sondern möglichst zu vertagen. Die Erneuerung einer Partei beginnt also mit der Einsicht erstens in ihren Klassen(koalitions)charakter und zweitens in ihren nationalen Wirkungsrahmen.
  7. Die Erneuerung der SPD muß folglich mit der Einsicht in die existenziellen Bedürfnisse der deutschen Gesamtarbeitskraft beginnen. Alle sozialdemokratische Politik ist darauf auszurichten, daß Arbeitskraft in Deutschland wieder sehr knapp wird und dadurch das Staatsvolk gegenüber der Staatsgewalt und dem Staatsgebiet in die Vorhand kommt, somit der Staat insgesamt den dominierenden Charakter eines Volksstaates erhält. Das von der Brandt-SPD leichtfertig insinuierte Modell eines multikulturellen Vielvölkerstaates war die genaue und tödliche Umkehrung des alten sozialdemokratischen Volksstaat-Konzepts.
  8. Der Faktor Arbeitskraft kann verknappt werden, indem die Arbeitskräfte verringert oder das Staatsgebiet und die Staatsgewalt vermehrt werden. Erscheinen die beiden letzteren Möglichkeiten als unrealistisch, bleibt nur die Verknappung der Arbeitskraft durch Zwangsexport der importierten ausländischen Arbeitskraft. Damit wäre die aktuelle Massenarbeitslosigkeit in Westdeutschland beseitigt, das soziale Hauptproblem national gelöst.
  9. Die bisherige SPD-Antwort auf die Massenarbeitslosigkeit besteht in staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammen, also in Hitlers Keynesianismus, der spätestens in der sozialliberalen Ära an Inflation und Staatsverschuldung gescheitert war. Dieser Anachronismus in den ökonomischen Maximen hat auch die Hilflosigkeit gegenüber der wirtschaftsliberalen Kritik am Staatsinterventionismus zur Folge. Remedur schaffen kann hier nur eine gründliche Aneignung der liberalen kapitalistischen Position und ihre gedankliche wie politische Vollendung, so daß ihre Grenzen nicht nur ständig behauptet und zum Anlaß voreiliger Forderungen nach Staatsintervention genommen werden, sondern der Kapitalismus wirklich vollendet und bis an die absolute Grenze seiner Verallgemeinerbarkeit getrieben wird.
  10. Die theoretische Vollendung des klassisch-liberalen Wirtschaftskonzepts ist aber die Marxsche Ökonomie. Der heutige Wirtschaftsliberalismus ist nur ein rechter Vulgärmarxismus, dessen Opfer die SPD geworden ist, weil sie in Godesberg ihren eigenen Marxismus und damit den theoretischen Kern ihrer historischen Identität auf den Müllhaufen der politischen Ideengeschichte gekippt hat. Heute ist die SPD auf den Stand von 1961 zurückgeworfen, nicht nur dem Stimmenanteil nach. Damals haben die sozialdemokratischen Theoretiker und Programmatiker versäumt, den deutschen Marxismus von seinen Vulgarisierungen zu befreien und ihn auf den Modernitätsstandard des späten Jahrhunderts zu bringen. Das aber haben inzwischen die 68er Theoretiker nachgeholt.
  11. Innenpolitisch hat die SPD gegen die bürgerliche Koalition nur die Chance, deren wirtschaftsliberales Privatisierungskonzept energischer zu vertreten, vor allem da, wo es aus Rücksicht auf die Klientel der Regierungskoalition nicht durchgesetzt oder gar in sein Gegenteil verkehrt wird. Nach der 83er Wende hat die SPD aber mit ihren Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie erneut ihre staatsinterventionistische Erbsünde begangen, anstatt zu fordern, die Entscheidung über Sicherheit und Rentabilität der Atomenergie bei vollständig internalisierten Risiko- und Entwicklungskosten allein einem völlig liberalisierten Energiemarkt zu überlassen. Alle Atomkraftwerke hätten nach diesen Kriterien bereits aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen abgeschaltet werden müssen, ohne daß eine Partei und eine Regierung die Entscheidung über Sein oder Nichtsein eines bestimmten Wirtschaftszweiges zu fällen hätte. Überhaupt tut eine Reinigung der Staatsaufgaben von wirtschaftlichen Aufgaben allgemein not. Insbesondere bei den Subventionsfällen Kohle, Stahl und Bahn zeigt sich die SPD durch die gutorganisierten Arbeitnehmer dieser Branchen in der Rolle leichter Erpreßbarkeit. Haupthebel der Subventionsgewinnler ist das Arbeitsplatz-Argument, weswegen eine erneuerte SPD nicht mehr für, sondern gegen Arbeitsplätze argumentieren muß, weil deren große Zahl stets ein Rückständigkeitsindikator ist. Dadurch entfremdet sich die SPD einem Teil ihrer Stammwähler in den alten Industrien, verliert aber auch den ihnen anhängenden frühproletarischen Mief und das reaktionäre Festhalten an überlebten und unerfreulichen Stufen der Industrie, das dem Ansehen dieser Partei in der übrigen Gesellschaft, besonders bei den Leistungseliten, so sehr schadet.
  12. Der andere Teil eines sozialdemokratischen Erneuerungsprogramms ist darauf zu richten, das Stigma der Lehrer- und Filz-Partei loszuwerden. Das kann nur gelingen, wenn sich die SPD die Forderung nach Privatisierung des öffentlichen Bildungswesens und der anderen öffentlichen Dienste zu eigen macht, um darin das kapitalistische Profitmotiv wirken zu lassen, das bisher noch stets jede ihm unterworfene Branche industrialisiert, ihren Produktausstoß vervielfacht, alle einzelnen Güter und Dienste aber rapide verbilligt hat. Das Gesundheitswesen z. B. , bei dem sich die Strukturfehler des öffentlichen Dienstes mit denen des privilegierten Berufsstandes mischen, wird auf Dauer nur bezahlbar sein, wenn die Hauptmasse der Ärzte Lohnarbeiter in kapitalistischen Medizinbetrieben werden und eine kleingewerbliche Arztpraxis der Preisauszeichnungs- und Gewährleistungspflicht unterliegt wie ein Friseurladen auch. Gleiches gilt für das Bildungswesen, für Müllabfuhr, soziale Dienste usw.
  13. Die fortexistierenden Berufsstände in Westdeutschland sind eine erstrangige Quelle sozialer Krisen. Die SPD hat es nötig, Furchtlosigkeit und Unerpreßbarkeit zu demonstrieren; sie sollte ein allgemeines Privilegienverbot, also praktisch die endgültige Auflösung aller Berufsstände, zu einem ihrer vornehmsten Programmpunkte machen.
  14. Ein allgemeines Privilegienverbot stärkt zugleich das besondere Privileg des wirklich modernen Staates, als Einziger privilegiert zu sein. Die Wiederherstellung des allgemeinen Standes, d. h. des parteienunabhängigen Berufsbeamtentums, die auch das Grundgesetz vorschreibt, ist eine Forderung an das ganze Parteiensystem, aus der jene Partei, die als erste damit Ernst macht, den größten politischen Gewinn zieht.
  15. Der Beamte ist privilegiert, weil er dem Staatshaushalt angehört. Im Falle der Bedürftigkeit hat er Anspruch auf Alimentation aus dem staatlichen Transfereinkommen. Die Ausübung des hoheitlichen Zwangs- und Gewaltmonopols des Staates personifiziert sich in seinen Beamten, deren Vorrecht, dem Gemeinwohl unmittelbar dienen zu dürfen, persönlich legitimiert sein muß durch den Verzicht auf normales Erwerbsstreben und entsprechendes Einkommen. Die grundgesetzwidrige Eroberung des Beamtenapparates durch das Parteiensystem hat die Beamten zu privilegierten Gehaltsempfängern gemacht, ihr Ansehen ruiniert und die Exekutive geschwächt. Mit dem moralischen Ansehen der Beamtenschaft schwand die politische Glaubwürdigkeit des westdeutschen Staates. Der sozialdemokratische Anteil an diesem Staatsverbrechen ist eine spezielle Vergewerkschaftung des deutschen Beamten. Kausales Heilmittel ist hier allein die strikte Streichung aller regulären Beamtenbezüge und die Alimentierung der Bedürftigen unter ihnen. Damit ist die Staatsklasse systematisch gleich behandelt wie die Anarchistenklasse, die im Bedarfsfalle ebenfalls vom staatlichen Transfereinkommen unterhalten wird und empirisch mit den Empfängern von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenfällt. Von der SPD ist damit verlangt, sich die ÖTV und den Beamtenbund zum Feind zu machen, um für diesen politischen Preis nicht nur zum Heros aller Steuerzahler zu werden, sondern auch, was wichtiger ist, dem westdeutschen Staatsapparat die schlampige Rheinbund-Gesinnung auszutreiben und ihm preußische Qualität zu geben. Damit erst wäre der allgemeine Stand wiederhergestellt und eine Voraussetzung geschaffen, daß die Bundesrepublik ihr Staatsziel verfolgen kann.
  16. Staatsziel der Bundesrepublik ist die staatliche Einheit des ganzen deutschen Volkes. Jede einzelne politische Forderung und Maßnahme kann allein von diesem Staatsziel her legitimiert werden, das auch das Programm für eine künftige und in der Vereinigungsphase unentbehrliche All-Parteien-Regierung abgibt. Parteien, die dieses Staatsziel durch ihr reales politisches Handeln nicht verfolgen, sind verfassungsfeindlich und daher zu verbieten. Da auch das Karlsruher Gericht heute nach Parteienproporz besetzt ist, ist das Verbot der die Wiedervereinigung sabotierenden Parteien eine Selbstreinigungsaufgabe des westdeutschen Parteiensystems als ganzem. Die DKP und der bolschewistische Teil der Grünen sind dringlich anstehende Verbotsfälle.
  17. Ein Konsens des Parteiensystems, den die SPD besonders eifrig vertritt, ist es heute, daß die Friedensfrage wichtiger als die Einheitsfrage sei. Aber nur der Abzug der Siegermächte aus Deutschland, nur der Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich beendet die unmittelbare territoriale Konfrontation der Supermächte und beseitigt damit die größte Gefahr eines dritten Weltkrieges. Merklich unwahrscheinlicher wird ein Weltbrand nur, wenn Europa selber, mit dem Rückgrat eines wiederhergestellten Deutschen Reiches, militärische Supermacht wird, die ihre angestammte Ordnungsaufgabe in Afrika und Nahost wahrzunehmen in der Lage ist.
  18. Sollte der gegenwärtige Versuch, das russische Reich zu revitalisieren, von Erfolg gekrönt sein, ist Westeuropa in noch größerer Gefahr, als amerikanischer Brückenkopf vom russischen Reich (gar auf friedliche Weise) erobert zu werden. Auch eine friedliche Dienstbarmachung des westeuropäischen Potentials für das russische Imperium müßte von Amerika als entscheidend im Globalkonflikt angesehen werden: Westeuropa wäre praktisch als verlorener amerikanischer Brückenkopf Gegenstand einer Politik der verbrannten Erde; aus militärischen Sachzwängen heraus müßten die USA Westeuropa atomar vernichten.
  19. Weltpolitisch muß Europa als Ganzes bündnisfähig werden, um einen historischen Kompromiß mit Rußland schließen zu können, dem Mittelasien und der indische Subkontinent als Einflußsphäre zugestanden werden kann, und um gegenüber Amerika Gleichgewichtigkeit (Bipolarität) im westlichen Bündnis herzustellen. Damit wäre Europa nach so vielen Jahrhunderten, in denen es opfervoller Schauplatz der Weltgeschichte war, endlich in ihren Windschatten manövriert; Europa hätte in der künftigen Weltgeschichte, deren Schauplatz der pazifische Raum sein wird, den Platz, den Skandinavien in der europäischen Geschichte hatte.
  20. Auf dem Weg dorthin steht die Wiedervereinigung Gesamteuropas, das die Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands voraussetzt, wozu die Erneuerung des westdeutschen Parteiensystems der erste Schritt ist. Die älteste deutsche Partei muß damit den Anfang machen. Als lohnende Zwischenetappe auf diesem entbehrungsreichen Weg der grundlegenden Erneuerung winkt der SPD die Möglichkeit einer Links-Rechts-Koalition mit den Deutschnationalen und den Nationalliberalen, die derzeit noch in die CDU/CSU, diese historisch obsolete bürgerliche Volksfront, eingebunden sind. Programmgrundlage solch einer sozial-konservativ-rechtsliberalen Koalition wäre der aktuelle Primat der nationalen Frage, die Einübung in eine All-Parteien-Regierung der Nationalen Einheit.
  21. Die unmittelbarste Aufgabe des Parteiensystems liegt auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik. Durch Beendigung der Ausländerbeschäftigung kann lediglich die aktuelle Massenarbeitslosigkeit in Westdeutschland beseitigt werden, nicht jedoch die systemimmanente, die besonders nach erneuter Entfesselung der revolutionär-kapitalistischen Dynamik auf prinzipiell allen gesellschaftlichen Gebieten mit ungekannter Schärfe hervortreten wird. Im Kapitalismus kann diese System-Arbeitslosigkeit nur anerkannt und besser organisiert, nicht aber beseitigt werden. Diese industrielle Reservearmee ist Maßstab des Erfolges und der Handlungsfähigkeit einer kapitalistisch geordneten Volkswirtschaft. Wie ihre militärischen Arrneen werden die industriellen Reservearmeen moderner Staaten nicht dafür bezahlt, daß sie Krieg bzw. Produktion machen, sondern daß sie dafür zur Verfügung stehen. Nicht destruktive oder produktive Wirklichkeiten, sondern entsprechende Möglichkeiten sind strategisch entscheidend. Viel besser organisiert werden muß natürlich der Personalaustausch zwischen aktiver Arbeiterarmee und industrieller Reservearmee, d. h. der freiwillige Zugang zur Arbeitskraftreserve sollte eher prämiert als sanktioniert werden, weil er die Zufuhr frischer Arbeitskräfte an die Produktionsfront erleichtert. Die industrielle Reservearmee oder Anarchistenklasse, weil der Staatsklasse versorgungsrechtlich gleichgestellt, kann dann in großem Umfang bei öffentlichen Aufgaben und staatlichen Sonderaktivitäten bis hin zu militärischen verwandt werden; die Verschmelzung von Staats- und Anarchistenklasse würde die Reichsverwaltung auf eine stark verbreiterte soziale Basis stellen und wäre in ihrer Wirkung der Einführung des Rittertums unter den salfränkischen Kaisern vergleichbar.
  22. Dieser zur einheitlichen Transferklasse integrierte und so erneuerte allgemeine Stand wäre stark genug, den gesellschaftlichen Verteilungskampf und damit auch das Parteiensystem im Zaum zu halten. Ein neu gebändigtes Parteiensystem ist die Voraussetzung für den Wiederaufstieg des Deutschen Reiches.
  23. Die Arbeitsmarktreform schafft auch die Voraussetzung, das zweitdringlichste Gesellschaftsproblem Westdeutschlands, die Industriestrukturreform, anzupacken. Ebenso wie es sinnlos und kostspielig ist, überflüssige Arbeiter in Beschäftigung zu halten, ist es auch mit dem Bauernstand und alten, unrentabel gewordenen Industrien. Kann ein Teil der überflüssigen Landwirtschaft noch in staatlich oder privat konsumierte Landschaftswirtschaft verwandelt werden, so gilt für überflüssige Industrien generell das Prinzip der Verkaderung: alte Branchen werden auf einen ausbildungsnotwendigen Rest reduziert, der den Fortbestand dieser veralteten industriellen Fähigkeit garantiert – Potentialisierung einer industriellen Vergangenheit, die zugleich museale Arbeit zur Belehrung und Vergnügung der Arbeitslosen bereitstellt.
  24. Das Zeug zur strukturellen Mehrheitspartei hat am ehesten diejenige Partei, die den Faktor Arbeitskraft vertritt. Allerdings können sich auch Konservative und Liberale eine Massenbasis verschaffen, indem sie ihren jeweiligen Faktor popularisieren. Ist nicht nur Boden und Kapital so gleichmäßig unter die Bürger verteilt, daß kaum noch einer soviel besitzt, um allein von Grundrente bzw. Kapitalzins leben zu können, und ist durch weiteren Vormarsch der reellen Subsumtion aller menschlichen Tätigkeitsbereiche unter das Kapital die Arbeit so selten geworden, daß keiner mehr sein ganzes Leben von der Vermietung seiner Arbeitskraft bestreiten kann, ist die Frage, welchem Einkommensfaktor die Wahlbürger sich am meisten verpflichtet fühlen, wieder offen.
  25. Kein Bürger und keine Partei darf den konstitutionellen Extremismus vergessen, zu dem jede Partei neigt: Der Extremismus des Konservatismus ist der Territorialimperialismus, weil jeder Bürger Boden haben und keiner davon enteignet werden will. Der Extremismus des Liberalismus ist die Natur- und Volkszersetzung, weil alle aus allem Kapital schlagen wollen. Der Extremismus des Sozialismus ist Faulheit und Stagnation, weil jeder für wenig Arbeit viel Lohn haben und durch Mitbestimmung den Ersatz seiner Arbeit durch Maschinen verhindern will. Der Extremismus des Radikalismus (Selbständige) ist der rechtliche Naturzustand, worin jeder gegen jeden sich behaupten muß. Der Extremismus des Etatismus ist der Absolutismus. Der Extremismus des Anarchismus ist der Parasitismus. Es ist das Wesen jeder Parteilichkeit, ihren konstitutionellen Extremismus nicht nur zu Ende zu denken, sondern ihn irgendwann in der Geschichte der Nation auch zu praktizieren. Die Mitte, sagt Hegel, ist die Vermittlung durch die Extreme hindurch. Das deutsche Volk wird seine Mitte wiederfinden, wenn es die in seiner Geschichte tatsächlich gelebten Extreme aller seiner Parteiungen in seinen Geist aufgenommen, bejaht und verarbeitet hat.

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